Leslie S. Greenberg, Rhonda N. Goldman:
Die Dynamik von Liebe und Macht;
Ernst Reinhardt Verlag München Basel 

 

10 Vom Umgang mit Wut in der Paartherapie

Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf
den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit,
zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.
Aristoteles

In Paarkonflikten ist Wut eine der stärksten und drängendsten Emotionen. Scherer, Wallbott und Summerfield (1986) haben in einer Studie, die sich über vier Kontinente erstreckte, festgestellt, dass sich Wut in den allermeisten Fällen gegen einen nahestehenden Menschen richtet – und zwar aus dem Gefühl heraus, ungerecht behandelt zu werden. Wut hat tief greifende Auswirkungen auf die Beziehung zum Lebenspartner sowie auf die Selbstorganisation dessen, der seine Wut zum Ausdruck bringt. Wut kann verschiedene Auslöser haben. Es gibt auch ganz unterschiedliche Wutreaktionen – manche sind positiv, manche negativ, einige wenige aggressiv. Wut ist eine natürliche, adaptive Reaktion auf Bedrohungen, sie löst mächtige Gefühle und Handlungstendenzen aus, die es Menschen erlauben, zu kämpfen und sich zu verteidigen, wenn sie sich angegriffen fühlen. Ein gewisses Maß an Wut ist demnach überlebenswichtig. Eine instinktive Art, Wut zu äußern, besteht in einer leicht aggressiven Reaktion, die vorwiegend der Kommunikation aggressiver Absichten dient. Der typische Ausdruck von Wut beinhaltet jedoch nur selten Aggressionen; er ist eher darauf ausgerichtet, die Situation zu korrigieren oder zu verhindern, dass sie sich wiederholt. Diese stärkende, kräftigende Art von Wut ist es, die zu spüren und auszudrücken manche Menschen in der Therapie lernen müssen. Deshalb sollten Wut und Aggression säuberlich auseinandergehalten werden. Wütend zu sein muss nicht unbedingt heißen, sich aggressiv zu verhalten; schließlich können Menschen auch aggressiv sein, ohne die geringste Wut zu verspüren.