Richard Taylor: Alzheimer und Ich
Hans Huber Verlag Bern, 2008

S. 54

1.9

Zurück in die Zukunft

Gestern bat mich ein befreundeter Arzt, mit ihm zusammen vor der Amerikanischen Ärztekammer zu sprechen. Selbstverständlich ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen. Ich habe mir das Ziel gesetzt, möglichst vielen Ärzten und Ärztinnen eines der jüngst entdeckten Gesichter der Alzheimer-Krankheit zu zeigen -früh einsetzend, frühes Stadium - solange ich noch im Stande bin, effektiv mit ihnen zu kommunizieren. Im Laufe des Tages schickte er mir eine E-Mail, bestätigte meine Zusage und nannte mir Ort, Datum und Uhrzeit meines Vertrags. Er sollte in acht Monaten stattfinden, acht Monate nach seiner Anfrage.
Er dankte mir für mein Interesse, gab dann aber zu bedenken: «Ich möchte dich unbedingt dabei haben. Aber vielleicht sollten wir noch eine Weile warten und erst kurz vor dem Termin offiziell zusagen.
»Da war er wieder, dieser Dr. Alzheimer und kippte mir
schon wieder ein Glas kaltes Wasser ins Gesicht! Mir ist jederzeit bewusst, dass ich alzheirnerkrank bin.
Ich stelle die Diagnose nie in Frage - nun ja, nie vielleicht nicht, aber ich akzeptiere sie inzwischen so uneingeschränkt wie ich meine, sie jetzt und künftig akzeptieren zu können. Aber die Worte «Vielleicht sollten wir noch eine Weile warten und erst kurz vor dem Termin offiziell zusagen.» erinnerten mich wieder daran. Vielleicht werde ich mich in acht Monaten nicht mehr so fühlen, wie ich mich derzeit fühlte, vielleicht werde ich nicht mehr so sein, wie ich derzeit bin. Na toll! Ungeachtet meiner Gedächtnisprobleme, meiner Unfähigkeit, mich an die jüngste Vergangenheit zu erinnern, und all den anderen Lücken und Schwächen meines Gehirns, habe ich nicht gelernt, mich anzupassen. In Anbetracht des flauen Gefühls in meinem Magen, des Kloses in meinem Hals und des allgemeinen Unbehagens, das mich schnell überkam, ist offensichtlich, dass ich erst noch lernen muss, die unumstößliche Tatsache zu akzeptieren: Ich habe die Alzheimer-Krankheit.
Offensichtlich hege ich irgendwo in meinem Innern den Wunsch, das Leiden möge plötzlich aufhören sich in meinem Gehirn auszubreiten. Ich hätte gerne einen Stillstand - das Einfrieren meiner Symptome. Ich weiß, dass es keine Heilung gibt, aber wie wäre es mit einer Pause? Werde ich die Wahrheit je voll und ganz akzeptieren?